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Die Gefangene von Emily Dickinson

Roman

Erschienen am 15.04.2013
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783938803578
Sprache: Deutsch
Umfang: 328 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 20.5 x 13.1 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Seit ihrer Kindheit steht die Journalistin Emília unter dem Einfluß Emily Dickinsons: 'Emily Dickinson wohnt in mir wie eine chronische Krankheit, manchmal unbemerkt, dann wieder schmerzlich präsent. Als Jugendliche wollte ich ihre Existenz enthüllen, ihr die Essenz rauben und mich in sie verwandeln. Wenn ich nach Hause kam, schlüpfte ich aus der Rolle Emílias in die Rolle Emilys, zog mir ein vergilbtes Nachthemd an, das ich in einem Secondhandladen gekauft hatte, wickelte die lockigen Haare auf, steckte sie über den Ohren fest und schloß mich in meinem Zimmer ein, um zu schreiben, zu lesen oder um ihre Gedichte abzuschreiben oder zu übersetzen.' Emilías Leben ist geprägt vom frühen Tod des Vaters und der Gefühlskälte der Mutter. Sie erschafft sich ihre eigene Welt, bevölkert von Wesen, mit denen sie spricht, die ihr vom Vater als Stern am Himmel erzählen. Im privaten Englischunterricht dann erfährt sie von Emily Dickinson und gerät mehr und mehr in die Fänge dieser Dichterin. Verse durchsetzen ihr Schreiben, sie führt eine abstrus-erotische Chat-Korrespondenz mit einem Unbekannten, der sich Dik nennt, und lernt schließlich einen Piloten kennen, in den sie sich verlieben würde, wenn sie sich denn verlieben könnte. Doch die Grenzen zwischen ihr und Emiliy Dickinson verschwimmen bereits. Ana Nobre de Gusmão hat einen Roman über Abhängigkeit und Faszination geschrieben, der zugleich eine Hommage an eine große Dichterin ist. Man erfährt so viel über Emily Dickinson, daß wohl jeder Leser nebenher deren Gedichte zur Hand nehmen wird. Ana Nobre de Gusmão (* 1952) hat bereits zwei erfolgreiche Romane im Weidle Verlag publiziert: SPIEGEL DER ANGST (2002) und DIE SEHERIN (2005). Sie ist eine der wichtigsten Gegenwartsautorinnen Portugals.

Leseprobe

Ich kann mich nicht an den Moment erinnern, in dem mir bewußt wurde, daß alles, was ich mir im Leben erhoffte, absolut unmöglich ist. Mein Vater war tot und würde niemals auferstehen, Alvim war verschwunden und würde niemals zurückkehren, und ich schrieb und würde niemals eine Dichterin werden. 'Ich träume jede Nacht von Vater, immer einen anderen Traum, und vergesse, was ich tagsüber mache, während ich mich frage, wo er sein mag', schrieb Emily zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters an ihre Cousinen mütterlicherseits. Eines Nachts fragte ich die Sandkönigin und Vielarm, ob sie glaubten, was Alvim über die Seelen sagte. 'Die Seele meines Vaters wird einer dieser leuchtenden Punkte am Himmel sein', erinnerte ich mich. 'Aber Alvim ist nie zurückgekehrt, um mir zu zeigen, welcher es ist, und ich habe es satt, danach zu schauen, denn ich sehe nur leuchtende Punkte. Seelen sehe ich überhaupt keine.' 'Vielleicht ist Alvim in ein schwarzes Loch gefallen', schlug Vielarm vor. 'Oder vielleicht sind die beiden bei einem dieser Sterne geblieben, die man kaum erahnen kann.' 'Aber ich benutze doch das Fernglas', entgegnete ich verzweifelt. 'Es gibt Sterne, die nur von bestimmten Regionen der Erde aus zu sehen sind', fuhr er fort und ließ seine Tentakeln kreisen. 'Und dann gibt es noch welche, die so weit weg sind, daß noch nicht mal das beste Teleskop sie erreichen kann.'